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Donnerstag, 21. April 2016

Little Tirol mitten im Urwald - Willkommen in Pozuzo

Willkommen im Dschungel


12 Autostunden nordöstlich von Lima mitten im tropischen Regenwald liegt Pozuzo. Im Jahre 1859 nach zweijähriger Anreise ursprünglich von 180 Tiroler und 120 Rheinländer Auswanderern gegründet, ist es heute die einzige österreichisch-deutsche Kolonie der Welt. Zirka 10 Jahre später kamen noch einmal 300 hauptsächlich Tiroler Auswanderer nach. Das entspannte kleine Dorf auf diesem wunderschönen Flecken Erde im Regenwald (zirka 2000 Seelen leben hier) hat sich bis heute einen sympathischen alpenländischen Charme erhalten, der am meisten im Stil der Häuser (Giebeldächer mit geschnitzte Veranda und viel Holz, gibts sonst nirgendwo in Peru) und der auffällig helleren Hautfarbe sowie der vereinzelt bis heute erhaltenen deutschen Sprache auffällt.



Ortseinfahrt von Pozuzo



Ein Quartier war schnell gefunden: wir nächtigen bei einem gebrochen tirolerisch sprechendem älteren Ehepaar in einem sehr sauberen Haus mit an Tiroler Schihütten erinnernden Zimmern. Anhand unzähliger Fotos und einem Stammbaum im Esszimmer wurde uns während des Frühstücks (Eierspeiß mit Speck und Tiroler Krapfen) die Familiengeschichte erzählt. Bei den Details wurde dann auf Castellano (Spanisch) gewechselt. Die Hausherrin selbst ist in dritter Generation in Peru geboren und war noch nie in der alten Heimat. Der Hausherr allerdings war vor einigen Jahren im Rahmen eines von einem Tiroler Verein organisierten Besuchsprogramms für ein paar Wochen in der Heimat. Nach einem Spaziergang in den Ortsteil Prusia (Preußen) besuchten wir des Heimatmuseums wo die Geschichte der colones austriacos (österreichischen Siedler) in Bildern, Werkzeug und mitgebrachten revolutionären Erfindungen (die Tiroler bauten das bislang erste und einzige Mühlrad von Peru) ausgestellt sind. Sehr erstaunt waren wir als wir die Kinder der 5 verschiedenen örtlichen Schulen gesehen haben die als Schuluniform Dirndl Lederhosen tragen.


Schuluniformen in Pozuzo


Nach einem kleinen Rundwanderweg durch den Dschungel waren wir im besten Restaurant des Dorfes dem Ristorante tipico Pozuzino alias "Tiroler Haus" auf ein wirklich sehr gutes Wiener Schnitzel mit dem besten Erdapfelsalat seit langem und einem Kalbsrahmgulasch mit Spätzle das ebenfalls seinesgleichen sucht. Begleitet wurde das österreichische Menü vom "Gockola", dem "steirischen Brauch", dem "Hirter Madl" und allem was Ziehharmonika und Co sonst noch zu bieten haben.

Hauptplatz von Pozuzo mit dem Nachbau eines Mühlrades, welches die österreichischen Siedler erstmals nach Südamerika gebracht haben, ...


... und der Nachbau der Norton, dem belgischen Schiff mit dem die ersten Siedler nach Peru kamen 



Blick über Pozuzo - bevor die Tiroler Siedler kamen war hier alles Urwald


Kreuzwegstation auf Deutsch, als noch Deutsche und Österreichische Priester hier her kamen waren die Menschen angeblich viel religiöser


Die Hängebrücke wurde zu Ehren Kaiser Wilhem I. errichtet.


Eines der besten Schnitzel mit dem besten Kartoffelsalat seit langem


Auch das Kalbsgulasch mit Spätzle war ausgezeichnet


Danach haben wir uns ein frisch gezapftes Pilsen in der (angeblich) einzigen Dschungelbrauerei der Welt gegönnt wo wir mit Franz Josef Schuller alias "Schilling" ins Reden gekommen sind. In perfektem Tirolerisch hat uns der ebenfalls in dritter Generation in Peru geborene von seiner Zeit (insgesamt 6 Jahre) in Österreich erzählt, wo er schon überall gearbeitet und wie er sich in schlechteren Zeiten durchgeschlagen hat. Es wirkt so als kennt er sich in der Alpenrepublik und speziell in Tirol besser aus als in Peru. Jetzt hat er eine kleine Pension und bietet Touren für Touristen zu den Naturschönheiten der Region an. Ausserhalb der Hochsaison, die sich auf Juli beschränkt, sind nicht viele Gäste im Ort und alles ist ein wenig im "Winterschlaf". Wir haben uns dann mit ihm für eine zeitige Tour zum Wasserfall am nächsten Tag verabredet.


Frisch gezapftes Pilsen aus der einzigen Dschungelbrauerei der Welt


Nach einem deftigen Tiroler Frühstück gings um Punkt 7 in der Früh los zum Catarata Delfin (Wasserfall Delfin - der Fluß heißt so) der ungefähr 8 km südlich vom Stadtteil Prusia liegt, der wiederum 3 km ausserhalb vom Zentrum liegt. Das erste fahrbare Stück sind wir mit einem Bekannten vom "Schilling" gefahren der eines der wenigen Autos im Ort besitzt. Des Rest des Wegs sind wir dann über Wiesen und "Almen" mit Kühen und durch den Regenwald marschiert.


Der Parque National Yanachaga rund um Pozuzo


Ein wenig erinnert die Gegend schon an die gute alte Heimat


Es vergingen keine 30 Sekunden ohne dass der Franzl eine Anekdote über die Gegend, die Geschichte oder die Leute (die er hier natürlich fast alle kennt, und von denen sehr viele auffällige österreichische Namen haben) zum Besten gab. Und falls es
doch grad nichts über das Umfeld zu berichten gab erzählte er uns von seiner Zeit in Tirol und wie schwer es am Anfang war so manch eifrigen Gesetzeshüter zu erklären was ein Peruaner in Zams in Tirol zu suchen hat.

Zwischendurch sind wir bei einer sehr netten älteren Frau auf einem kleinen Bauernhof am Weg eingekehrt die neben Rinder- und Schweinezucht auch die in Südamerika so beliebten Cocablätter anbaut. Nur zum Kauen versteht sich. Mit dem "Anderen", schmutzigen Gschäft mit den Blättern will offiziell keiner etwas zu tun haben. Auch wenn der Franzl meint (und die Statistik gibt ihm Recht), dass Peru die anderen Länder in Südamerika bei der Produktion von Kokain längst überholt hat.


Cocablätter beim Trocknen, Universalmedizin gegen Müdigkeit, Erschöpfung, Höhenkrankheit und vieles mehr


Nach einer kurzen Wanderung durch die atemberaubend schöne Almwiesen-/Dschungellandschaft erreichten wir tief im Wald versteckt den zirka 100m hohen Catarata Delfin. Nach einer ausgiebigen Fotosession sind wir noch ein Stück weiter in den Urwald gewandert. Der Schilling wollte uns noch unbedingt den hier ansässigen peruanischen Nationalvogel, den Rupicola (Felsenhahn) zeigen, doch leider wollte dieser uns nicht sehen. Zurück gings wieder die selbe Strecke, vorbei an dem vor einigen Jahren durch einen massiven Erdrutsch zerstörten Wasserkraftwerk welches Pozuzo lange Zeit mit Strom versorgt hat. Die Einzelteile der von Siemens-Österreich gespendeten Turbine sieht man immer noch unterhalb des von Hand gemauerten Staubeckens aus der längst überwucherten Erde ragen.


Der Catarata (Wasserfall) Delfin ist über 100 Meter hoch


in der Regenzeit kann man hier nicht stehen


Es gibt noch mehrere kleine Wasserfälle in der Umgebung, rechts im Bild: Unser Führer "Schilling"


Unzählige Orchideen wachsen als "Schmarotzer" auf uralten Bäumen


Weil wir relativ schnell unterwegs waren sind wir den ganzen Weg zurück ins Dorf zu Fuß marschiert und bekamen bei jedem Grundstück entlang des Wegs die zugehörigen interessanten Geschichten (wer, wann, was, warum, wieso) erzählt. Schilling ist einer der wenigen die noch gut Deutsch sprechen können hier im Ort, vermutlich auch weil er sechs Jahre "drüben" war. Die Jungen, so sagt er, verstehen zwar noch einiges, aber reden nicht gern Deutsch. Sie genieren sich weil sie es nicht perfekt können. Zirka 20% der heutigen Pozuzeños haben Tiroler bzw. Deutsche Vorfahren. Anfangs gab es nur "weiße" Bürgermeister aber das hat sich auch geändert. Es ist halt nicht mehr "in" deutsch zu reden sagt der Franzl.



Eine "Alm" mitten im Urwald


In der Nähe des Ortsteils Prusia sind wir noch schnell zum Baden in drei natürlichen, zirka fünf mal fünf Meter großen Pools eines Gebirgsbaches eingekehrt. Ein bissl kalt aber sehr erfrischend. Als weiteres Highlight bekamen wir hier eine jugo de quito quito serviert. Der Saft der Lulo Frucht, die nur in dieser Gegend Perus und in Teilen Ecuadors und Kolumbiens wächst, schmeckt unglaublich erfrischend gut und enthält sehr viel Vitamin C. In Peru wird er nur hier in Pozuzo und der Provinzhauptstadt Oxapampa verkauft.


Natürliche Pools im erfrischend kalten Bach


Brück als Eingang zum Badespaß


Die Lulo-Frucht, hier Quito Qutio genannt, wächst nur in diesem Nationalpark in Peru sowie in Teilen Ecuadors und Kolumbiens ...


... und gibt einen sehr guten erfrischenden Saft


Überall in Pozuzo findet man unzählige bunte riesige Schmetterlinge


Herzlicher Abschied von Franz Josef Schuller alias "Schilling" vor seinem Haus


Rechtzeitig für den letzten Minibus nach Oxapampa um 3 Uhr haben wir wieder das Dorf erreicht. Nach zwei Stunden auf der abenteuerlichen aufgeweichten Piste zwischen steilen Felswänden links und einer tiefen Schlucht rechts (so muss auch die Deathroad in Bolivien aussehen) haben wir wieder Oxapampa erreicht. An die Tatsache, dass wir alle paar hundert Meter buchstäblich unter Wasserfällen oder durch reißende Bäche gefahren sind haben wir uns inzwischen gewöhnt.


Reissende Wasserfälle neben und auf der Straße


In der Regenzeit ist die Straße nach Pozuzo oft tagelang nicht passierbar


Unser Fahrer musste aussteigen und kontrollieren ob wir "da durch kommen"


Nach einem gemütlichen Pisco Sour in Oxapampa haben wir müde aber glücklich von den vielen Eindrücken den Nachtbus nach Lima bestiegen.